Ferienzeit – Einübung in Freiheiten
Mitten hinein in die Ferienzeit (in allen Bundesländern außer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind Ferien), in der wir es gerne etwas ruhiger angehen lassen, in welcher der Lebenstakt ruhiger schlägt und „wir die Seele baumeln lassen“, mitten hinein in diese Zeit treffen uns zwei Worte Jesu: das vom Reichtum („Verkauft euren Besitz und gebt Almosen.“) und das von der Wachsamkeit („Legt euren Gürtel nicht ab und lasst eure Lampen brennen.“). Beide Worte „bauen“ beim ersten Hören Druck auf, doch ich möchte versuchen, sie so zu verstehen, dass sich „Ferienfeeling“ einstellt.
„Haben als hätte man nicht …“ Diesen Rat zum Thema Besitz gibt uns der Apostel Paulus. Mehr als ein frommer Wunsch, sondern lebenspraktischer Ratschlag. Wir kennen das Phänomen: Sobald man etwas Wertvolles besitzt, kommt mit dem Besitz die Angst, dies wieder zu verlieren, gestohlen zu bekommen. Manch einer traut sich nicht mehr wegzufahren, weil dann die Wohnung unbewacht ist; ist gezwungen, wo er auch ist, die Börsenkurse zu studieren, selbst am Strand, um nicht durch Kursbewegungen sein Vermögen zu verlieren. Geld, wenn es ausgegeben wird, kann Gutes tun, einem selbst oder anderen – gehortet macht es unfrei, fesselt, schließt ein. Denn – und so heißt es ja auch im Evangelium: „Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz“. – „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“, sagte Martin Luther. Eine Aufforderung, ernsthaft zu prüfen: Sind Geld und Besitz Mittel zum Zweck, meinetwegen sogar als Lebensmittel zu sehen, oder Selbstzweck, Lebensmitte. Wer sich einschränkt, nicht weil er wenig hat, sondern damit er mehr hat, irgendwann einmal mehr oder wer Geschenke in Geldwert umrechnet, der ist in der Gefahr, Geld und Besitz als Wert an sich zu sehen.
Diese Worte ersuchen uns, die Augen zu öffnen in einer Ferien- und Urlaubsidylle, die es so, wie es die vielen Hochglanz-Urlaubsprospekte versprechen, gar nicht gibt. Können wir denn wirklich zur Ruhe kommen und neue Kraft tanken, wenn wir für drei Wochen vor der Wirklichkeit fliehen? Denn Krieg, Krankheit und Katastrophen machen keinen Halt vor dem Sommer. Und auch in unser Leben kann das Leid einbrechen wie ein Dieb in der Nacht. Wir müssen lernen mit der existenziellen Unsicherheit in unserem Leben fertig zu werden, egal ob in der Arbeit oder in der Freizeit, ob auf Balkonien, an der See oder in den Bergen. Und das Evangelium gibt uns einen wertvollen Ratschlag, wie wir mit dieser Unsicherheit umgehen können: Wachen und Warten.
Pfarrer Dr. Andreas Mersch